Provisionsanspruch auch bei Lieferverzögerungen oder Unterbrechungen der Lieferkette?

Handelsvertreter und Hersteller/Lieferanten fragen sich, ob die Provision auch dann zu bezahlen ist, wenn das Geschäft mit dem Kunden wie beispielsweise aufgrund des Krieges in der Ukraine oder des Lockdowns in Shanghai nicht oder noch nicht ausgeführt werden kann.

Besteht bereits ein fälliger Provisionsanspruch bei Lieferverzögerungen oder Unterbrechungen der Lieferkette?

Dazu muss man folgendes wissen:

Der Gesetzgeber hat entschieden, dass der Hersteller/Lieferant im Hinblick auf den Provisionsanspruch des Handelsvertreters das Risiko aller aus dem zustande gekommenen Geschäft mit dem Kunden trägt.

Leistungsstörungen, die der Hersteller/Lieferant zu vertreten hat, lassen nach dem Gesetz (§ 87a HGB) den Provisionsanspruch des Handelsvertreters unberührt.

Muss sich der Hersteller/Lieferant auch Lieferverzögerungen oder Unterbrechungen der Lieferkette zurechnen lassen? Hat er dies zu vertreten?

Die Rechtsprechung zum Begriff des unternehmerischen „Nichtvertretenmüssens“ ist streng – zum Vorteil des Handelsvertreters und seines Provisionsanspruchs.

Zu vertreten sind alle Umstände, die dem unternehmerischen oder betrieblichen Risikobereich des Herstellers/Lieferanten zuzuordnen sind. Typische Beispielsfälle sind mangelnde oder fehlerhafte Dispositionen und Kalkulationen, Bezugs- und Transportprobleme. Notfalls muss der Hersteller/Lieferant die benötigten Rohstoffe bei Dritten zu höheren Preisen einkaufen, selbst auf die Gefahr hin, dass sich dadurch ein späterer Mindererlös ergibt.

Nicht dem unternehmerischen oder betrieblichen Risikobereich zuzuordnen sind dagegen unvorhersehbare Betriebsstörungen oder sogenannte Eingriffe von hoher Hand. Beispielsfälle sind Naturkatastrophen, Streiks, Epidemien, Kriege, Importsperren.

Was bedeutet nun das „Nichtvertretenmüssen“ bei Lieferverzögerungen oder Unterbrechungen der Lieferkette?

Es ist im Einzelfall zu prüfen, ob die nicht erfolgte Lieferung des Herstellers/Lieferanten auf überraschenden und nicht in seiner Risikosphäre liegenden Hindernissen beruht und ob er diese nicht doch mit zusätzlichen, auch kostenaufwendigen aber zumutbaren, Maßnahmen hätte erbringen können.

Ob die Einstellung der Produktion in der Ukraine oder die Zulieferung von Teilen aus der Ukraine für den Hersteller/Lieferanten überraschend und unvorhersehbar kam, muss sorgfältig geprüft werden. Entsprechendes gilt für Unterbrechungen der Lieferkette aufgrund der COVID19 Pandemie.

Der Hersteller/Lieferant trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Lieferverzögerung oder Nichtlieferung auf Umständen beruht, die von ihm nicht zu vertreten sind. Gelingt ihm dies dem Hersteller/Lieferant nicht, hat der Handelsvertreter einen fälligen Provisionsanspruch, den er geltend machen kann.

Wichtig zu wissen ist in diesem Zusammenhang auch folgendes: Liefert der Hersteller/Lieferant ganz oder teilweise, aber nicht so, wie das Geschäft mit dem Kunden abgeschlossen worden ist, so entsteht der Provisionsanspruch des Handelsvertreters immer in voller Höhe wie bei ordnungsgemäßer Lieferung durch den Hersteller/Lieferanten. Insbesondere bei mangelhafter, unvollständiger, verzögerter und verspäteter Lieferung kann sich der Hersteller/Lieferant nicht darauf berufen, dass dies auf Umständen beruhen würde, die er nicht zu vertreten hat. Bei nicht ordnungsgemäßer Lieferung kommt es auf das Vertretenmüssen oder Nichtvertretenmüssen nicht an.

Stephan Hartmann

Rechtsanwalt, Geschäftsführer Recht, CDH Baden-Württemberg

Stephan Hartmann

Rechtsanwalt, Geschäftsführer Recht, CDH Baden-Württemberg

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